Von der Verliebtheit zur Liebe
Jede Paarbeziehung durchläuft Entwicklungsphasen – sofern sie lange genug besteht.
Kann man sich verlieben und dann spürt man ein Leben lang die Schmetterlinge im Bauch? Eher nicht. Am Anfang ist alles schön, leicht und wunderbar. Doch irgendwann legt man die rosarote Brille ab und sieht den Partner so wie er ist: als Mensch mit Eigenschaften, die uns vielleicht stören und die wir sogar gerne ändern würden.
Eine Partnerschaft wandelt sich im Laufe der Jahre und durchläuft verschiedene Phasen. Jede dieser Phasen der Liebe bringt ihre eigenen Herausforderungen und Aufgaben für eine gelingende Paarbeziehung mit sich.
1. Die Illusionsphase – Verschmelzungsphase
Die erste Phase jeder Liebe ist die Verliebtheitsphase, auch als Bindungs- und Verschmelzungsphase oder umgangssprachlich als „rosarote Brille“ bezeichnet. In dieser Phase schweben wir auf Wolke sieben, der Partner erscheint nahezu vollkommen, jeder Atemzug ist einmalig, jeder Gedanke beeindruckend. Alles Irritierende wird verdrängt, unterschiedliche Eigenschaften betrachten wir in dieser Phase als Bereicherung unseres Lebens und nicht als Störung: wir sind sozusagen „blind vor Liebe“.
Sich verlieben: Jemand verwandelt sich von irgendjemand zu jemand ganz Besonderem.
Die Hormone fahren Achterbahn: Glückshormone wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin werden ausgeschüttet, die Geschlechtshormone Testosteron und Östrogen und das „Kuschelhormon“ Oxytocin unterstützen den Bindungswunsch.
Wir erzeugen die Illusion der vollkommenen Passung. Die Aufgabe als Paar in dieser Bindungsphase lautet: Genießen. Sobald sich die Beziehung am Ende der Illusionsphase stabilisiert – nach ca. sechs bis 18 Monaten – sind wir bereit für die nächste Beziehungsphase.
2. Die Kampfphase – Differenzierungsphase
Wir haben uns für diese Beziehung mit diesem unglaublich vollkommenen und wunderbaren Menschen entschieden, der unser Leben ausschließlich bereichert. Doch halt. Eines Morgens schauen wir über den Frühstückstisch und stellen überrascht fest, das Objekt unserer Liebe hat nicht nur Stärken, sondern auch Eigenschaften, die wir vielleicht gar nicht mögen. Oder Ansichten und Vorstellungen von der Beziehung oder der Welt an sich, die wir nicht teilen. Wir sind genervt und enttäuscht, was wir auch deutlich machen.
In der Differenzierungsphase steht nicht im Vordergrund, was passt, sondern wir erkennen deutlich das Trennende, den Unterschied. Wenn der Partner die Vorstellungen und Illusion der Verliebtheitsphase nicht erfüllt, wird er zur Ent-Täuschung: „Du bist ja gar nicht so wie ich dachte. Ändere dich, werde so, wie ich es dachte, dann kann ich dich lieben.“.
Wenn du mich verstehen würdest …
Wenn du mich lieben würdest …Wenn du sein würdest, wie ich dich gesehen habe, gerne hätte/brauche/will …
Häufig verstrickt man sich dann in Macht-, Revier- und Konkurrenzkämpfe, Manipulation und Druck beginnt und der Kampf um die eigenen Bedürfnisse und Erwartungen. Gewinnen oder Verlieren bestimmt den Alltag und breitet sich wie ein Flächenbrand über alle Paarthemen aus. Oft erzeugen wir gegenseitig in Machtkämpfen tiefe Verletzungen, die nicht mehr heilen, das Vertrauen, gehört und gesehen zu werden, wird zerstört. Es kommt zur Trennung.
In der Differenzierungsphase besteht die Lernaufgabe als Paar, eine respektvolle und wertschätzende Kommunikation zu erarbeiten und auf Kooperation zur Lösung unterschiedlicher Vorstellungen zu setzen. Differenziert wird dabei in lösbare und unlösbare Probleme. Die lösbaren Probleme werden konstruktiv gelöst, die unlösbaren Probleme führen dann in die nächste Phase der Paarbeziehung.
3. Die resignative Phase – ich bin bei dir zuhause
Erschöpft nach vielen schmerzlichen Kämpfen und nächtlichen Diskussionen haben wir verstanden, dass es zwischen uns stabile Unterschiede in den Vorstellungen, Grundwerten und der Persönlichkeit gibt. Diese lassen sich weder dem Anderen zuliebe verändern noch konstruktiv lösen. Egal wie viele Konflikte darüber geführt werden, alle Versuche, den anderen umzukrempeln, nützen nichts.
In dieser Phase wird der Kampf um unlösbare Themen beendet, die Machtkämpfe sind vorbei, und es macht sich Resignation breit.
Resignation unterscheidet sich in kalte, abwertende oder in wohlwollende, zugewandte Resignation.
Die Form der Resignation entscheidet über den weiteren Weg der Beziehung. Verletzende, herabsetzende Bemerkungen über unterschiedliche Vorstellungen und Persönlichkeitsanteile bis hin zum Lächerlichmachen und Bloßstellen führen langfristig zu einem Verlust von Liebe und Vertrauen bis hin zur Trennung.
Wohlwollende, freundliche und warmherzige Resignation führt in Richtung tiefer Liebe und Geborgenheit. Wir haben erkannt, der andere ist uns wichtig, er bereichert uns , auch wenn er nicht ist wie wir, auch wenn er nicht allen Erwartungen der Illusionsphase entspricht. Man will das Gegenüber nicht mehr verändern, es ist okay wie es ist, es wird geliebt, wie es ist.
Das schönste Gefühl der Liebe entsteht in dieser Phase: Genügen wie man ist. Geliebt werden wie man ist.
Die wohlwollende Resignation ist die tiefste und vertrauteste Beziehungsphase. Der Partner wird eigenständig wahrgenommen, gehört aber trotzdem zu uns. Wir lieben ihn, ohne das er dafür so sein muss, wie wir ihn gerne hätten, er wird nicht für unsere Bedürfnisse funktionalisiert.
Zu einer Beziehung gehören Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Der Umgang damit entscheidet.
Die Aufgabe als Paar in der resignativen Phase: den wohlwollenden Blick können wir ganz bewusst aufsetzen. Auch wenn es nicht immer gelingt und an machen Tagen Ärger Raum einnimmt, können wir uns bewusst gegen einen abwertenden Blick auf unseren Partner entscheiden.
Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Worauf du deinen Fokus richtest, wird mehr und verstärkt sich.
Durchbrechen Sie das negative Gedankenkarussell und richten Sie Ihren Fokus bewusst auf Wohlwollen, es ist Ihre Entscheidung.
In der Paarberatung unterstütze ich Sie bei der wertschätzenden und kooperativen Konfliktlösung während der Kampfphase und in der resignativen Phase beim Ausrichten auf Wohlwollen und Freundlichkeit.